Wie die ESR-Berechnung funktioniert, musst du uns auch mal irgendwann erklären.
Das ist keine Raketentechnik, man muss aber bedenken, dass das
nur für Standardcaps als Näherungsrechnung funktioniert. Spezielle Formen wie Low-ESR / Ultra-Low-ESR mit ganz anderer Zusammensetzung lassen sich damit
nicht verlässlich berechnen, da einfach noch zu viele andere Faktoren eine Rolle spielen.
Nehmen wir mal die 3300er TUR als Beispiel. Wir brauchen die Kapazität, den Verlustfaktor sowie die Frequenz in Frage. Alles lässt sich aus dem Datenblatt entnehmen.
3300µF 10V TUR:
Kapazität:
3.300µF
Verlustfaktor (delta tan) @ 10V:
0.19 + 0.02 je 1.000µF zusätzlich bei Caps über 1.000µF, also + 0.04, da wir 2.000µF über dem 1.000µF Basewert liegen
(jeweiliges Datenblatt bzgl. Korrekturfaktoren beachten)
Frequenz:
120 Hz
So, zuerst müssen wir den Blindwiderstand (Xc) bei der vorliegenden Kapazität berechnen mit folgender Formel:
Xc = 1 / 2π x Freq x Kapazität (in Farad!! nicht µF)
also:
Xc = 1 / 2π x 120 x 0,0033F
Xc = 0,401 Ohm
Daraus können wir nun den ESR berechnen:
ESR = Xc x delta tan
ESR = 0,401 x 0,194
ESR = 0,0778 Ohm
ESR = 77,8 mOhm
Wie gesagt, diese Berechnung taugt für Standardkondensatoren mit "idealen" Eigenschaften. Alles was davon abweicht lässt sich nicht so einfach berechnen, brauchen wir aber auch nicht, denn diese Kondensatoren haben dann ja die Angaben im Datenblatt stehen, für GP kann man das halt mit den o.g. Formeln annähernd bestimmen.
ABER – beachten:
Die Angaben sind immer für eine bestimmte Frequenz und für die Standardtemperatur gedacht. Man sollte also immer auch mal die Engineering & Design Hinweise der Hersteller für die jeweiligen Serien beachten. Leider fehlen diese Informationen in den meisten Standard Datenblättern und man muss halt die dicken Engineering Informationen bemühen, denn dort stehen dann auch manchmal oft sehr wichtige Informationen drin bzgl. der restlichen Charakteristik des Kondensators. Nicht jeder verhält sich gleich, insbesondere was das Frequenzverhalten angeht. Wenn man z.B. zwei 1.000µF GP Kondensatoren zweiter Hersteller / Serien vergleicht, kann es durchaus sein, dass die Kurve des ESR Verlaufs oder des Temperatureinflusses ganz anders aussieht. Der eine Kondensator kann dann z.B bei 1 KHz schon drastisch im ESR abweichen und straffer werden, während ein anderer das vielleicht erst bei 10 KHz tut und bis dahin einen nahezu gleichbleibenden ESR hat. Gleiches gilt für die Temperatur / ESR / Ripple Verhältnisse, sodass man am Ende des Tages halt auch schauen muss, wo der Kondensator eingesetzt wird, welchen Bedingungen er dort ausgesetzt ist und ob seine Grundcharakteristik dafür überhaupt taugt.
Hatte neulich für
@fortunes erst noch so ein Beispiel benannt, wo es darum ging den besten Ersatz für einen Rubycon ZL zu bestimmen. Es gab da einen modernen ZLJ, dessen Werte ansich (Ripple, ESR) fast perfekt zum ZL passen würden, allerdings ist die Gesamtcharakteristik des ZLJ anders, trotz der augenscheinlichen Serienverwandtschaft. Statt dessen wäre an dieser Stelle ein Nichicon UHD die bessere Wahl gewesen, weil dessen Charakteristik, sprich ESR Frequenzkurve / Temperaturabhängigkeit etc. viel besser zum Original ZL passt als die "Namensvetterserie" aus dem gleichen Hause.
Gerade wenn man den Patienten nicht vor sich hat um alles im Detail präzise zu vermessen, ist man gut beraten, diese ganzen Engineering / Design Aspekte mit zu berücksichtigen in der Auswahl des passenden Kondensators um sicherzustellen, dass auch ungesehen / ungetestet die Ersetzungsvorschläge die höchstmögliche Wahrscheinlichkeit haben, problemlos zu funktionieren.
Ja, das ist eine Menge Aufwand, aber darauf basierend sind manche Ersetzungslisten von mir halt wie sie sind, obwohl es augenscheinlich passende Alternativen gibt, die aber halt vom Charakter her stärkere Unterschiede haben und ich dann eher versuche eine Serie zu nehmen, deren Auslegung dem Original entspricht. Ein Kondensator hat halt so viel mehr Faktoren als nur ESR / Ripple / Kapazität und Spannungsfestigkeit. Nicht umsonst finden wir auf manchen Mainboards / GPUs / NTs eine solche Vielzahl an unterschiedlichen Serien, tlw. in gleichen Größen mit fast gleichen ESR / Ripple Werten, sodass man sich fragt warum man nicht einfach alle in einer Sorte genommen hat, aber es gibt dann halt andere Designmerkmale, die dann ggf. in der Auswahl durch den Hersteller eingeflossen sind, also wo steht der Kondensator, was ist seine Funktion, welcher Belastung ist er ausgesetzt, ist es eine HF oder LF Schaltung usw usf.
Was ich halt immer wieder sage: man kann nicht alles über einen Kamm scheren, die *zig Sorten / Abstufungen und Sonderserien existieren nicht wegen Langeweile der Entwicklungsabteilungen, sondern aus gutem Grund
Gerade bei GP gibt es wilde Spreizungen, die einen Kondensator fast an die Grenze der nächsten Kategorie bringen, sprich es gibt z.B. GP Caps, die mit steigender Frequenz so exponentiell im ESR skalieren, dass sie an der Grenze zu Low-ESR Caps kratzen. Das kann ein Problem werden, wenn man so einen empfindlichen Kondensator an eine stelle setzt, wo der ESR länger stabil auf einem höheren Wert bleiben sollte, insbesondere wenn wir einen Spread von 2 Ohm zu 500 mOhm oder sowas sehen. Kann dann unerwünschte Effekte geben obwohl an GP gegen GP ersetzt hat, aber es kommt halt darauf an, wie sich die beiden Kondensatoren in bestimmten Szenarien verhalten. Darf man nie außer Acht lassen, weil ansonsten kann man sich genau so "Stress" einhandeln, wie wenn man einfach wild alles mit Polys zuballert
Musste sich wohl alles mal kurz aneinander gewöhnen, oder wie?!
Blöde Frage, aber hast du das Fiepen vorher selbst gehabt oder nur überlieferte Info von keel? Weil je nach Konstellation der Hardware / Lastzustände usw usf. kann auch das schon Auswirkungen haben. Ich habe z.B. ein EPoX Board hier liegen, welches fast jedes NT zum klingeln bringt, sobald du eine CPU Spannung von mehr als 1,8V einstellst. Da gibt es einen Störeffekt, der sich auf das angeschlossene NT auswirkt. Je größer man dann primärseitig die Caps auslegt auf dem Board und je straffer die sind, umso mehr minimiert sich der Effekt im Netzteil.
Will sagen: es kann durchaus auch solche Wechselwirkungen geben, die jetzt nicht unbedingt mit dem Netzteil ansich zu tun haben, sondern ein Effekt aus einer oder mehreren Komponenten sind, die dann in einem bestimmten Betriebszustand sowas auslösen. Selbst wenn du dann mal die CPU, mal die GPU oder was auch immer dran hast oder minimal was änderst, kann sich dann entweder ein Effekt verstärken oder komplett auslösen. Gerade Spulenfiepen ist ja immer wieder ein Problem, welches an den verschiedensten Stellen auftaucht.