Ich habe mich entschlossen, das hier zu schreiben, da es vielleicht helfen kann, seine Familienmitglieder vor Unheil zu bewahren.
Wenn ihr jemanden in der Familie habt, der sich "seltsam" verhält, schaut bitte genauer hin, im schlimmsten Fall kann das Leben retten!
Der Bruder meiner Frau hat sich das Leben genommen, im Alter von 44 Jahren.
Er ist aus sehr großer Höhe gesprungen, und konnte letzten Endes nur noch durch diverse Tattoos identifiziert werden.
Ich will keinen Roman schreiben, aber zumindest möchte ich versuchen, einen Eindruck zu vermitteln.
Der Mann hatte einen sehr schwierigen Charakter, schon immer, aber die letzten 8 - 10 Jahre hat er insbesondere seinen Eltern das Leben sehr schwer gemacht.
Trotz guter Bildung hatte er keine Lust zu arbeiten, nach dem Studium machte er erst mal 3 Jahre nichts, und genoss die Vorzüge im Hotel Mama.
Es kam natürlich mehr und mehr zum Streit, dass er sich eine Arbeit suchen soll, worauf hin er dann zurück in die Heimatstadt seiner Eltern zog, und das ein oder andere Versuchte.
Letztlich hat er dann in der Spedition seines Onkels gearbeitet, was aber auch immer wieder für sehr viel Reibereien sorgte.
Sein Vater erkrankte vor ca. 6 Jahren an Krebs, was er dann zum Anlass nahm, seinen Job zu kündigen, und zurück in sein altes Kinderzimmer zu ziehen (mit 38 Jahren!), er muss sich ja schließlich um seinen Vater kümmern...
Frau oder Kinder hat er zum Glück nicht.
Getan hat er genau genommen nichts, außer seinen Eltern noch mehr Sorgen zu bereiten, am Tag zu schlafen, Nachts zu zocken, und das war es.
Sein Vater konnte gut behandelt werden, es folgte eine Operation, und der Krebs war mehr oder weniger besiegt.
Ab da fingen die Probleme richtig an, da sein Vater ihn natürlich aufforderte, sich eine Arbeit zu suchen, und dann eine Wohnung zu nehmen.
Die Situation eskalierte immer mehr, und eines Tages, Vater und Sohn fuhren mit dem Auto, ist der Vater durch ein Schlagloch gefahren, was zu einer Erschütterung im Auto geführt hat, ab da begann der richtige Albtraum.
Der Sohn behauptete, durch die Erschütterung habe sich etwas in seiner Wirbelsäule verschoben, und ab da begann eine Krankengeschichte, die ihres gleichen sucht.
Rückwirkend betrachtet war er da wohl schon psychisch neben der Spur, aber man hat es unterschätzt, besser gesagt, man wusste es nicht besser.
Dachten wir zu beginn noch alle, er macht das nur, um im Elternhau wohnen zu bleiben, bildete sich da über die Zeit eine richtige Wahnvorstellung, was in seinem Körper alles nicht funktioniert.
Arztbesuche und sogar Krankenhaus Aufenthalte endeten alle nur damit, dass genau NICHTS festzustellen war, und nach dem X ten Aufenthalt, sagte sein Vater zu ihm: "Das kann auch Psychosomatisch sein, wie wäre es denn, wenn wir mal einen Therapeuten suchen?"
Das war dann der absolute Overkill für den Sohn, von da an gab er seinem Vater die Schuld, dass die Ärzte seine Krankheit nicht ernst nehmen würden, wenn schon sein Vater ihn für einen Psycho hält.
Es eskalierte mehr und mehr, sein Vater durfte sich unter anderem anhören, dass er ein rücksichtsloses Arschloch sei, und schuld am Leid seines Sohnes.
Zu dem Zeitpunkt hätte ich ihn schon rausgeworfen, aber eben auch nur, weil ich es nicht besser gewusst hätte!
Er lernte dann online eine Frau kennen, und zog bei ihr ein, in eine 300km entfernte Stadt.
Das ganze lief mehr oder weniger 2 Jahre, bis die Frau dann auch die Nase voll hatte, denn arbeiten ging er weiter nicht, sein Krankheitsbild ermöglicht ihm das nicht.
In der neuen Stadt suchte er auch diverse Ärzte auf, die auch alle nichts fanden, und sowie es in die Richtung "psychisch" ging, flippte er aus.
Am Ende zog er vor 2 Jahren in eine kleine Bude, immer noch in der Stadt, in der er die Frau kennengelernt hat, und telefonierte täglich mindestens eine Stunde mit seinem Vater, um ihm zu berichten, wie schlecht es ihm geht, was er für Symptome hat, und das sein Vater ja an allem Schuld ist.
Sein Vater hat von seiner Seite aus eine Engelsgeduld bewiesen, seine Mutter wollte schon nicht mehr mit ihm sprechen, aber der Vater nahm sich täglich Zeit.
Er wollte, dass sein Sohn hier her zurückkommt, und hat ihm sogar angeboten, hier eine Wohnung für ihn zu kaufen, zu der Zeit wurde bei uns nebenan neu gebaut - das lehnte er ab.
Zuweilen saß der Vater dann hier, und hat bei seiner Tochter geweint, weil er einfach nicht mehr weiterwusste.
Das Thema "Selbstmord" wurde nie in Betracht gezogen, da mein Schwager es immer als feige verurteilt hat, und das man das eben seiner Familie nicht antun kann.
Es folgten täglich weiter Videocalls mit seinem Vater, Bilder von angeblichen Veränderungen im Körper, und detaillierte Krankheitsberichte, von einseitigem Muskelabbau, bis zu einem Wurm, der sich unter der Haut aufhält, und wenn er bestimmte Muskeln anspannt, könne er ihn festhalten.
Mein Schwiegervater hat sich dann von seinem Sohn Auszüge aus seiner Krankenakte schicken lassen, oder Arztberichte, es waren um die 10 Seiten, und hat sie meiner Frau mitgegeben, die in der Uni arbeitet.
Sie hat es in der entsprechenden Abteilung einem Psychologen gegeben, der dann natürlich sofort Alarm geschlagen hat.
Er hat diverse Kliniken rausgesucht, in denen auch Familienangehörige mit einbezogen werden, um es ihm zu erleichtern.
Sein Vater hat ihn dann für Weihnachten eingeladen, da wollten wir alles hieb und stichfest machen, und ihn mehr oder weniger zu einem Aufenthalt überreden.
Erzählt hat sein Vater ihm das nicht, er wurde lediglich zu Weihnachten eingeladen, was er auch gerne angenommen hat, allerdings müsse sein Vater ihn Abholen, denn in seinem Zustand kann er nicht reisen.
Kein Problem, er wird natürlich abgeholt.
Letzte Woche hat er dann Sonntags noch mit seinem Vater telefoniert, und ihm erzählt, dass ihm jetzt auch die Zähne ausfallen, weswegen er am Montag einen Termin bei einem Zahnarzt hat.
An diesem Sonntag verschaffte er sich dann am Späten Abend Zugang zu dem Haus in dem sich der Zahnarzt befindet, ein 10 Stockwerke hohes Haus, und sprang nach Schätzungen gegen 2-3 Uhr Nachts aus dem Fenster des Treppenhauses von ganz oben.
Er hat sich sogar einen Tritt mitgenommen, dass er gut über das Fensterbrett hinauskam.
Gefunden wurde er um 6.45Uhr.
Der absolute Wahnsinn:
Die Polizei ruft bei meinem Schwiegervater an, fragt ob er der Herr Mustermann sei.
"Dann haben wir ihnen eine unschöne Nachricht mitzuteilen, ihr Sohn hat sich entschieden, sein Leben zu beenden"
Kann man sich das vorstellen?
Er hatte seinen Personalausweis und alles mögliche andere im Geldbeutel, da aber vom Kopf nichts übrig war, ging eine Identifizierung letztlich nur über Tattoos, auch da kaum zu glauben, man hat meinem Schwiegervater diese Bilder per Mail gesandt.
Es war zwar "nur" der Oberkörper zu sehen, aber sowohl meine Schwiegereltern, als auch meine Frau sind nachhaltig traumatisiert.
Letzte Woche sind wir dann in seine Bude gefahren, und seitdem ist mein Schwiegervater komplett am Ende.
Es sah dort aus, das kann man nicht beschreiben, Urin in Flaschen gesammelt, Insektenbefall unter dem Bett, die Wohnung war komplett zugemüllt, man musste über Müll laufen, und die Wände waren vom Schimmel befallen. Wir haben mit einigem gerechnet, aber nicht damit.
Die Wohnung war eigentlich unbewohnbar, und der Schwiegervater sagt jetzt, er hätte das erkennen müssen.
Gerade ich versuche ihm da jegliche Schuld zu nehmen, denn sein Sohn hat alles immer blockiert.
Seine Eltern wollten ihn mindestens monatlich besuchen, hat er abgelehnt, das er zu den Eltern kommt hat er abgelehnt, was soll man da machen?
Wie sich in den letzten Tagen herausgestellt hat, war das anscheinend von ihm aus schon länger beschlossene Sache.
Er hat im Juni sein Bürgergeld nicht mehr beantragt, war seit dem nicht mehr Krankenversichert, ist aber fleißig weiter zum Arzt gegangen, wodurch ein hoher Betrag bei der AOK offen ist, und hat auch keine Termine mehr beim Job Center wahrgenommen.
Die Post in seinem Briefkasten hat er seit Ende Oktober schon nicht mehr geöffnet...
Warum habe ich das jetzt geschrieben?
Achtet auf eure Liebsten!
Wenn es Auffälligkeiten gibt, handeln!
Lieber wird man hinterher Verurteilt, als so ein Drama zu erleben, in dem man einen Angehörigen so sinnlos verliert.
Für mich ist das unverständliche daran, dass er SOFORT jede Hilfe bekommen hätte, er hätte wirklich nur mit dem Finger Schnippen müssen, sein Vater hätte ihn sogar die Treppe runter ins Auto getragen, um ihn heimzuholen, egal was war.
Die Medizin ist heute soweit bei psychischen Beschwerden, er hätte noch alles machen können in seinem Leben.
Wieso er alles an Erkrankungen was er haben könnte in Betracht zog, aber einen psychischen Ursprung ausgeschlossen hat, wird mir auf immer ein Rätsel bleiben.
Meine Schwiegereltern haben sich darauf verlassen, dass er sich nichts tut, weil er es eben immer gesagt hat, aber wie man sehen kann, hat auch das nichts zu heißen.
Ich persönlich komme damit klar, zum einen habe ich weit schlimmeres erlebt, zum anderen standen wir uns nicht Nahe, leider eher im Gegenteil.
Für seine Eltern und seine Schwester hat dieser Mann Weihnachten auf alle Zeiten zu einem Fest der Trauer gemacht, sowie von der Person, die seinen zerschmetterten Körper fand, die wird darunter ihr ganzes Leben leiden.
Gut, meine Frau wird sich fangen, aber bei meinen Schwiegereltern sehe ich schwarz, insbesondere Schwiegervater gibt sich jetzt die Schuld völlig alleine, da hilft auch alles gut zureden nicht.
Zum Glück hat es unser großer Sohn(23), der mit ihm in jungen Jahren sehr viel Zeit verbracht hat, gut verkraftet, und Gott sei dank auch der Junior(12) - bei ihm habe ich mir extreme Sorgen gemacht, da er sehr sensibel ist. Ihm haben wir natürlich nicht gesagt, dass sein Onkel Selbstmord begangen hat, wir haben ihm gesagt, dass er durch einen Unfall verstorben sei.
Er lässt sich aktuell nichts anmerken, hat noch nicht mal eine Träne vergossen, ich denke, bei der Beerdigung wird dann alles rauskommen
