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Apple kommt der Konkurrenz entgegen

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Apple kommt der Konkurrenz entgegen
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Da war es wieder. Das Gefühl, dass man gleich Zeuge etwas Besonderen wird, etwas vollkommen Neuartigen. Doch wie so oft in den letzten beiden Jahren wurde man erneut enttäuscht, Tim Cook wollte oder konnte nichts aus dem Hut zaubern, die Zuschauer nicht in Erstaunen versetzen.

Dabei war seine Chance so groß wie nie, denn schließlich will man erstmals zwei iPhones gleichzeitig auf den Markt bringen. Das eine hätte der technologische Spitzenreiter im Smartphone-Segment werden können, das andere ein Angriff auf die Android-Mittelklasse. Doch selbst als Nutzer eines iPhone 5 - keine Angst, auch Android wird privat genutzt - muss man eingestehen, dass der gestrige Abend sowohl aus ganz persönlicher als auch aus technischer Sicht eine einzige Enttäuschung war. Das iPhone 5s ist nichts anderes als ein aufgebohrtes iPhone 5, allerdings war der Sprung vom iPhone 4 zum 4S größer. Ob man Siri mag oder nicht: Mit seinem Sprachassistenten hat Apple ein Zeichen gesetzt, das Nacheifern der Konkurrenz kann durchaus als Beweis dafür angesehen werden.

iphone 5s 01

Aber ein Fingerabdrucksensor? Ja, man spart sich jetzt das Eingeben eines Codes, aber in Zeiten von Prism und Co. hinterlässt dies trotz der Versicherung Apples, die Daten würden das Gerät nicht verlassen, einen merkwürdigen Nachgeschmack. Auch an die anderen Neuerungen sind eher minimal evolutionär statt revolutionär. Die Kameraqualität wird sich in Tests beweisen müssen, vom schnelleren SoC mitsamt 64-Bit-Unterstützung wird Otto-Normalverbraucher so schnell nichts spüren; mangelnde Leistung war schon beim iPhone 5 absolut kein Thema. Wo also ist der Mehrwert versteckt? Für weitaus weniger Geld bekommt der Verbraucher diverse Android-Smartphones, die deutlich mehr bieten, vom Alu-Gehäuse über brillante Displays bis hin zu sinnvoll angeordneten Lautsprechern, Infrarot-Sendern oder innovativen Bedienmethoden. Und seien wir ehrlich: Android hat in nahezu allen Bereichen mit iOS gleichgezogen, in einigen liegt man bereits weit davor.

iphone 5c 01

Doch die eigentliche Enttäuschung des gestrigen Abends war sicherlich nicht das iPhone 5s, sondern die vermeintliche Billigausgabe 5c. Was wurde nicht im Vorfeld über Ausstattung und Preis spekuliert, letztlich war das meist schlicht falsch. Wer vom „günstigen“ iPhone noch nichts mitbekommen hat: Es vereint die Technik des iPhone 5 mit einem Plastikgehäuse. Jenem Material, dass gefühlt die gesamte iPhone-Nutzerschaft hasst wie der Teufel das Weihwasser; der Werkstoff, den der gemeine Apple-Fan sofort mit Samsung oder Sony, aber nicht doch mit der eigenen Marke verbindet. Und all das für „nur“ 599 Euro! Günstig geht irgendwie anders, diesen Gedanken müssen gestern Abend viele Zuschauer gehabt haben. Und in der Tat: Für das iPhone 5c spricht kaum etwas, ein gepflegtes Gebraucht-iPhone-5 dürfte die deutlich bessere Geldanlage sein, auch wenn man dann auf die „hippen“ Farben verzichten muss.

Dass sich beide Geräte dennoch wie warme Semmeln verkaufen werden, dürfte sicher sein. Höchstwahrscheinlich wird Apple schon nach den ersten drei Tagen wieder neue Rekordmeldungen verbreiten. Doch der Konkurrenz dürfte gestern Abend nicht Angst und Bange geworden sein, im Gegenteil. Denn mit beiden neuen Modellen kommt Apple Samsung, HTC, Nokia und all den anderen einen gigantischen Schritt entgegen, statt zu versuchen, sich ein Stück weit abzusetzen. Beide Geräte können abgesehen von iOS kaum etwas, was nicht auch ein Mitbewerber zu leisten imstand ist. Dass Apple damit einen Niedergang wie BlackBerry, HTC oder Nokia eingeleitet hat, ist aber unwahrscheinlich, denn das Unternehmen aus Cupertino ist „too big to fail“. Allerdings dürfte sich die Führungstruppe irgendwann unangenehme Fragen stellen lassen müssen, denn spätestens jetzt ist klar, dass ein Mann wie Steve Jobs dringend gebraucht würde.