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Zensur- und Überwachungssysteme

China exportiert die Great Firewall

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China exportiert die Great Firewall
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Offenbar kultiviert die Volksrepublik China ihre sogenannte Great Firewall nicht bloß für sich selbst, sondern beginnt auch damit, die Technologie anderen Ländern auf der Welt zugänglich zu machen. Darauf deuten ein Leak von mehr als 100.000 internen Dokumenten des chinesischen Unternehmens Geedge Networks hin. Ein internationales Recherche-Konsortium, an dem unter anderem Amnesty International, Der Standard und das Tor Project beteiligt sind, hat die Daten ausgewertet. Sie umfassen Quellcode, interne Protokolle und E-Mail-Korrespondenz.

Demnach wird bereits systematisch hoch entwickelte Zensur- und Überwachungssysteme an Regierungen weltweit verkauft. Geedge wurde zwar erst 2018 gegründet, gehört aber laut den Dokumenten zu einem der zentralen Architekten der "Großen Firewall". Nach außen präsentiert sich Geedge bloß als Anbieter von Cybersecurity-Lösungen, die Transparenz und Sicherheit für Unternehmen schaffen sollen. Die Dokumente zeigen jedoch, dass das Hauptprodukt des Unternehmens ein umfassendes Überwachungspaket ist. Damit können Regierungen den gesamten Internetverkehr kontrollieren, gezielt Webseiten oder VPN-Dienste blockieren und einzelne Nutzer überwachen.

Das Kernsystem trägt dabei den Namen Tiangou Secure Gateway. Es wird in Rechenzentren installiert und ist in der Lage, sämtliche Datenströme eines Landes zu filtern. Ergänzt wird es durch eine Oberfläche namens Cyber Narrator, die Behörden in Echtzeit Einblick in die Aktivitäten einzelner Nutzer ermöglicht, einschließlich Standortinformationen und Kommunikationsinhalten. Besonders unverschlüsselte Daten wie E-Mail-Anhänge sollen so leicht abfangbar sein.

Die Dokumente belegen, dass die Systeme bereits in Ländern wie Kasachstan, Äthiopien, Pakistan und Myanmar im Einsatz sind. In Myanmar waren nach Angaben der Unterlagen im Februar des vergangenen Jahres 26 Rechenzentren mit der Technik ausgestattet, die gleichzeitig über 80 Millionen Internetverbindungen überwachen konnten. Auch die Blockade von mehr als 280 VPN-Diensten und verschlüsselten Anwendungen wie Signal wurde dokumentiert.

Stellenanzeigen des Unternehmens zeigen zudem, dass Geedge weitere Expansionen plant, vor allem in Staaten entlang der chinesischen Belt-and-Road-Initiative. Menschenrechtsorganisationen sehen darin die Gefahr einer wachsenden globalen Verbreitung autoritärer Überwachungsmodelle, bei der China eine führende Rolle als technischer Lieferant einnimmt.

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