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Privatsphäre gegen Ermittlungsarbeit

Apple verweigert Mithilfe trotz Urteils (Update)

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Apple verweigert Mithilfe trotz Urteils (Update)
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Nach dem Attentat im kalifornischen San Bernardino vor gut zwei Monaten laufen die Ermittlungen der US-Bundespolizei noch immer. Zwar wurden die beiden Täter während des Einsatzes von der örtlichen Polizei, doch die mögliche Beteiligung der Terrororganisation Islamischer Staat beschäftigt die Behörden noch immer. Eine wichtige Rolle könnte dabei das iPhone eines der Täter spielen.

Darauf zugreifen konnte das FBI bislang aber ebenso wenig wie andere Institutionen, bedingt durch die seit iOS 8 vorhandene Verschlüsselung des Geräts sowie ein Passwort mitsamt Löschung des Speichers bei mehrfacher Falscheingabe. Der Versuch, Apple zur Kooperation zu bewegen, scheiterte bislang, weshalb das FBI sich für den juristischen Weg entschied. Nun gab ein kalifornisches Bezirksgericht seine Entscheidung bekannt, die schon nach wenigen Stunden für rege Diskussionen sorgt. Nicht nur, dass dabei das Verhältnis von Privatsphäre und notwendigen Ermittlungen eine Rolle spielt, auch die Reaktion seitens Apple und der Umgang der Medien sorgen dafür. Denn das Unternehmen reagierte prompt auf das Urteil: Man weder sich im Sinne seiner Kunden widersetzen.

Was zunächst ehrenhaft klingt, entpuppt sich bei näherer Betrachtung des Urteils aber zumindest teilweise als Marketing.

Eine Entschlüssung wird nicht verlangt

Der vorsitzende Richter legte fest, dass Apple das FBI beim Zugriff auf das iPhone unterstützen muss. Konkret aufgeführt werden drei Punkte: Das Umgehen oder Deaktivieren der Speicherlöschung nach mehrfacher Falscheingabe des Passwortes, die Möglichkeit der Passwort-Eingabe über eine physische Schnittstelle statt durch Bedienung des Bildschirms sowie Deaktivierung der temporären Gerätsperre nach mehrfacher falscher Eingabe des Passwortes. Auf welche Art und Weise dies bewerkstelligt werden muss, überlässt das Gericht dem Unternehmen selbst.

Allerdings macht es einen Vorschlag. So können Apple dem FBI beispielsweise eine spezielle Software zur Verfügung stellen, die anders im DFU-Modus auf das iPhone aufgespielt werden kann, am installierten iOS oder den im Speicher hinterlegten Daten aber nicht ändert. Die einzige Aufgabe des Programms: Die drei genannten Punkte erfüllen. Das, so der Richter, könnte durchaus aus in Apples Räumlichkeiten stattfinden, das FBI würde lediglich einen Remote-Zugriff oder vergleichbares benötigen.

Touch ID und Code-Einstellungen in iOS

Touch ID und Code-Einstellungen in iOS

Ob es rechtlich und moralisch vertretbar ist, dass das Gericht die Bitte der Ermittler als wichtiger als die Privatsphäre einer Privatperson - sei es auch ein mehrfacher Mörder - einschätzt und damit unter Umständen einen gefährlichen Präzedenzfall geschaffen hat, ist eine Debatte, die in erster Linie in den USA geführt werden muss. Ob Apple die Verdrehung der Tatsachen aber für ein werbewirksames Statement nutzen sollte, ist eine Frage, die sich nicht nur iPhone-Nutzer stellen sollten.

Denn auf der eigenen Homepage antwortete das Unternehmen in Form von Tim Cook prompt. Natürlich werden man dem Urteil nicht folgen. Denn man schätze die Privatsphäre seiner Kunden als höher als das Auskunftsinteresse der Ermittler ein. „Zwar glauben wir, dass die Motivation des FBIs gutgemeint ist, wäre es aber dennoch falsch, wenn die Regierung von uns die Implementierung einer Backdoor in unsere Produkte verlangen würde“, so Cook. Deshalb sei es das Beste, wenn jede Seite nochmals über die möglichen Konsequenzen des Urteils nachdenken würde. Dass es aber gar nicht um die Verschlüsselung der Daten geht, lässt man unter den Tisch fallen, im Gegenteil: Gleich mehrfach wird auf die Wichtigkeit dieser Schutzmaßnahme hingewiesen. Dass das FBI nur das Passwort ermitteln will, schreibt Cook nicht.

Das Knacken könnte nur eine Frage der Zeit sein

Obwohl dieses die Daten natürlich entschlüsseln würde und Apples Haltung dadurch zunächst bestätigt wird, gibt es doch einen klaren Unterschied. Denn derzeit weiß niemand, wie weitreichend die Schutzmaßnahmen auf dem betroffenen iPhone 5c tatsächlich sind. Zwar konnte herausgefunden werden, dass eine sechsstellige Ziffernfolge für das Entsperren benötigt wird, ob die Daten nach mehrfacher Falscheingabe gelöscht werden, ist aber unklar. Ist dies nicht der Fall, könnte das FBI die erforderlichen Zugangsdaten problemlos per Brute Force ermitteln - auch wenn der Zeitaufwand durch temporäre Sperren nach mehreren Fehleingaben sehr groß wäre; ohne diese hätte man das Passwort binnen eines Tages ermittelt.

Tatsächlich wird durch die Zwangspausen mehr Zeit benötigt, ein komplexeres System wäre aber noch sicherer. Denn könnten für das iPhone-Passwort auch Sonderzeichen verwendet werden, würde man per Brute Force auch ohne temporäre Sperren mehrere Jahre zum Herausfinden benötigen. Stark vereinfacht gesagt: Apple hat eine massive Tür verbaut, den passenden Schlüssel aber unter der Fußmatte platziert.

Wer am Ende gewinnt, bleibt abzuwarten. Das Unternehmen hat nun fünf Tage Zeit, um auf das Urteil zu reagieren. Dass die Ermittler kleinbeigeben werden, dürfte angesichts der Entwicklungen der vergangenen Jahre nahezu ausgeschlossen sein.

Update:

Inzwischen hat Apple ein weiteres Statement auf seiner Seite veröffentlicht, in dem auch auf einige Fragen eingegangen wird. Darin wird unter anderem die Frage bejaht, dass es Apple möglich sei eine Version von iOS zu schreiben, welche die vom FBI gewünschten Sicherheitsfunktionen umgeht. Man wolle die Büchse der Pandora an dieser Hinsicht aber nicht öffnen. Auf die Frage, ob Apple jemals schon einmal ein iPhone auf Anfrage der Behörden entschlüsselt hat, antwortet das Unternehmen mit einem klaren "Nein". Das Update des ursprünglichen Briefes von Tim Cook ist durchaus interessant und gibt einen Einblick in die Entscheidungsfindung bei Apple.

Quellen und weitere Links

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