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Europäischer Gerichtshof erklärt Vorratsdatenspeicherung für ungültig

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Europäischer Gerichtshof erklärt Vorratsdatenspeicherung für ungültig
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Der Europäische Gerichtshof hat die Richtlinie über die Vorratsspeicherung von Daten - 2006/24/EG - für ungültig erklärt. Damit folgt der EuGH dem Mitte Dezember von EU-Generalanwalt Cruz Villalón veröffentlichten Gutachten und widerspricht der Auffassung der EU-Kommission.

In einer ersten Stellungnahme heißt es, die Vorratsspeicherung „beinhaltet einen Eingriff von großem Ausmaß und besonderer Schwere in die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf den Schutz personenbezogener Daten, der sich nicht auf das absolut Notwendige beschränkt“. Begründet wird das Urteil, das schriftlich noch nicht in vollständiger Form vorliegt, vor allem mit der Art der Daten, die erfasst werden.

Denn: „Aus der Gesamtheit dieser Daten können sehr genaue Schlüsse auf das Privatleben der Personen, deren Daten auf Vorrat gespeichert werden, gezogen werden, etwa auf Gewohnheiten des täglichen Lebens, ständige oder vorübergehende Aufenthaltsorte, tägliche oder in anderem Rhythmus erfolgende Ortsveränderungen, ausgeübte Tätigkeiten, soziale Beziehungen und das soziale Umfeld.“ Deshalb sei die Sicherung dieser Informationen ein „schwerwiegender Eingriff“ in die Grundrechte.

Erschwerend würde nach Ansicht der Richter zudem hinzukommen, dass die Sammlung ohne explizite Information der Betroffenen das Gefühl „einer ständigen Überwachung“ erzeugen könne. Letztlich werde laut EuGH die Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt. Zwar diene die Vorratsspeicherung grundsätzlich dem „Gemeinwohl“, die Richtlinie überschreite jedoch Grenzen, vor allem, da der Eingriff sich nicht „auf das absolut Notwendige beschränkt“. Denn die Sammlung erfolge „ohne irgendeine Differenzierung, Einschränkung oder Ausnahme“.

Darüber hinaus fehle der Richtlinie ein objektives Kriterium, das den Zugriff und die Nutzung der Daten beschränkt und somit den Eingriff in die Grundrechte ins Verhältnis setzt. Der Verweis auf schwere Straftaten reiche hier nicht aus, da diese unter anderem von jedem EU-Mitgliedsstaat im nationalen Recht individuell definiert werden; vor allem fehle aber auch eine Zugriffskontrolle durch ein Gericht oder eine unabhängige Stelle.

Moniert wird aber auch der durch die Richtlinie vorgegebene Zeitrahmen für die Speicherung der Daten. Die Mindestfrist von sechs Monaten unterscheide nicht nach Datenkategorien oder Nutzen, zudem fehlen auch hier objektive Kriterien, „die gewährleisten, dass die Speicherung auf das absolut Notwendige beschränkt wird“.

Während das Gericht in all diesen Punkten dem Gutachten Villalóns folgt, geht es unerwartet über dieses noch hinaus. Denn die Richter bemängeln auch, dass es keinen wirksamen Schutz vor dem Missbrauch der gesammelten und gespeicherten Daten gibt, da „wirtschaftliche Erwägungen“ eine Rolle spielen dürfen. Außerdem sehe die Richtlinie nicht vor, dass die Daten explizit auf dem Gebiet der EU gespeichert werden müssen: „Sie gewährleistet damit nicht in vollem Umfang, dass die Einhaltung der Erfordernisse des Datenschutzes und der Datensicherheit durch eine unabhängige Stelle überwacht wird, obwohl die Charta dies ausdrücklich fordert. Eine solche Überwachung auf der Grundlage des Unionsrechts ist aber ein wesentlicher Bestandteil der Wahrung des Schutzes der Betroffenen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten.

Durch das Urteil ist aber nicht nur die EU-Kommission, die ihre Richtlinie vehement verteidigt hat, der große Verlierer, sondern auch die Bundesregierung. Denn diese hatte erst Mitte Februar angekündigt, dass die Arbeiten an einem neuen Gesetzesentwurf auch ohne ein Entscheidung des EuGH beginnen werden. Dabei galt es zu diesem Zeitpunkt schon als sicher, dass die Luxemburger Richter den Auffassungen des Generalanwalts folgen werden. Begründet wurde der Schritt damit, dass man „präventiv“ handeln wolle. Allerdings fehlt einem solchen Entwurf nun jegliche Rechtsgrundlage, da völlig unklar ist, ob und wann es eine neue Richtlinie geben wird und welchen Rahmen diese vorgibt.

Für die EU dürfte das Urteil nicht nur zusätzliche Arbeit bedeuten, sondern auch das erneute Ausstellen eines schlechten Zeugnisses - wenige Wochen vor den Europawahlen. Denn schon seit 2006 bemängeln Datenschützer die Richtlinie, vor allem aufgrund der darin enthaltenen und nun von höchster Stelle gerügten Unverhältnismäßigkeiten. Stellungnahmen aus politischen Kreisen liegen derzeit noch nicht vor.

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