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Huawei P9 im Test (2/2) - Das leistet die Leica-Kamera

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Wie wichtig die Smartphone-Fotografie inzwischen ist, zeigt derzeit wohl nichts so deutlich wie die Kooperation zwischen Leica und Huawei. Auf der einen Seite ein exzellenter Ruf in Sachen Kameras, auf der anderen Expertise im Bau von Handys. Im zweiten Teil des Tests muss das P9 zeigen, dass es nicht nur die grundsätzlichen Funktionen beherrscht, sondern dass sich die Zusammenarbeit der beiden Unternehmen gelohnt hat.

Diese soll sich nicht nur auf das P9 und das Schwestermodell P9 Plus beschränken. Auch langfristig wollen die beiden Firmen voneinander profitieren. Huawei dürfte dementsprechend auch zumindest einige seiner kommenden Smartphones mit Kameras ausstatteten, an deren Entwicklung Leica beteiligt ist. Der traditionsreiche deutsche Hersteller hofft hingegen, dass man den eigenen Namen in neuen Kreisen bekannt machen und so langfristig den ein oder anderen Käufer gewinnen kann.

Warum genau sich die Partner für die im P9 verbaute Lösung entschieden haben, will niemand verraten. Abseits der konkreten Spezifikationen ist jedoch interessant, dass man einen Ansatz verfolgt, mit dem beispielsweise HTC beim One M8 gescheitert ist.

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Wer den ersten Teil des Tests, in dem es um die Punkte Gehäuse, Display, Leistung, Laufzeit und Software geht, findet ihn hier.

Sony und Leica teilen sich die Hardware

Leicht macht es Huawei-Interessierten nicht einfach. Eine Zusammenfassung aller technischen Details zu den Kameras gibt es nicht, nur häppchenweise lieferte man bislang Daten. Verraten wurden zunächst lediglich die groben Eckpunkte.

Auf der Rückseite verbaut man zwei Sensoren mit jeweils 12 Megapixeln - einer mit klassischem RGB-Ausbau, einer für Monochrom. Hinzu kommen ein sogenannter True-Tone-Flash mit zwei LEDs und ein Laser-Fokus. Dieser kommt allerdings nur zum Einsatz, wenn die Entfernung zum Motiv maximal 1,2 bis 1,5 m beträgt, in den anderen Fällen verlässt Huawei sich auf die bei Smartphones üblicheren Methoden Kantenkontrast und Phasenvergleich (phase detection/contrast detetion). Die Blende ist mit f2.2 weniger lichtstark als bei der aktuellen Oberklassekonkurrenz, die Brennweite von 27 mm liegt hingegen im üblichen Bereich. Eher ungewohnt ist hingegen die Form der Linse, die Leica der Summarit-H-Familie zuordnet. Diese ist asphärisch aufgebaut, was Abbildungsfehler vermindern soll. Die Fertigung ist zwar aufwändiger als bei sphärischen Pendants, letztere erfordern für eine hohe Qualität jedoch eine höhere Anzahl von Einzellinsen und/oder die aufwendigere Software zur Korrektur. Einen optischen Bildstabilisator gibt es nicht.

Viel mehr Anschauungsmaterial als diese Grafik liefern Huawei und Leica nicht zum Thema Kamera-Hardware

Viel mehr Anschauungsmaterial als diese Grafik liefern Huawei und Leica nicht zum Thema Kamera-Hardware

Auf der Vorderseite setzt man auf einen Sensor mit 8 Megapixeln und einer Pixel-Größe von 1,4 Mikrometern, der ebenfalls von Sony (IMX179) kommt. Die Blende gibt man mit f2.4 an, die Brennweite mit 26 mm. Eine interessante Randnotiz: Vor nicht allzu langer Zeit wurde der IMX179 noch als Hauptsensor auf der Rückseite von Smartphones eingesetzt. Unter anderem war und ist er für viele Fotos und Videos verantwortlich, die mit dem Nexus 5 und ausgerechnet dem Vorvorgänger des P9, dem Ascend P7, gefertigt wurden und werden.

Viel mehr Informationen liefert Huawei nicht. Zwar verriet man, dass der Hauptsensor von Sony (IMX286) bezogen wird und die Pixel eine Größe von 1,25 Mikrometern aufweisen. Ob dies aber für beide Sensoren auf der Rückseite oder nur das RGB-Modell gilt, bleibt vorerst offen, ist aber wahrscheinlich. Mehr als Vermutungen anstellen kann auch beim Blick auf die Optik der Frontkamera nicht. Hier ist davon auszugehen, dass Leica nicht involviert ist. Auf das Konto des deutschen Unternehmens gehen damit mit Sicherheit Entwicklung und Fertigung der auf der Rückseite verbauten Objektive, die Unterstzütung bei der Entwicklung von ISP, DSP und Kamera-Applikation sowie eigenen Aussagen zufolge auch die Zertifizierung des IMX286.

Viel Theorie

Bei einer üblichen Smartphone-Kamerakonfiguration ist die Aufgabenteilung klar. Der Sensor ist im Zusammenspiel mit dem ISP für das Fokussieren und Aufnehmen des Motivs zuständig, zusätzlich ermöglicht der ISP diverse Zusatzfunktionen wie beispielsweise Onboard-HDR, Filter oder das rudimentäre Korrigieren des Bildes. Das P9 weicht von dem in weiten Teilen ab, teils deutlich. Das beginnt beim Fokus. Ähnlich wie bei einigen LG-Smartphones kann die Kamera das Scharfstellen per Laser erledigen. Das hat vor allem zwei Vorteile: Zum einen funktioniert das auch bei fast völliger Dunkelheit, zum anderen ist dieses Verfahren in der Regel schneller als die passiven Messmethoden.

Es gibt aber auch einen großen Nachteil. Denn bedingt durch die Leistung des Lasers eignet sich diese Art der Fokussierung nur für sehr kurze Distanzen. Dass Huawei die erreichbaren 1,2 bis 1,5 m als Besonderheit deklariert, ist angesichts dessen nicht übertrieben. Denn bislang war nach etwa einem halben Meter das Ende erreicht. Ist das scharfzustellende Objekt weiter entfernt, wird das Protokoll wie auch bei LG und Co. sowie reinrassigen Kameras abgearbeitet. Je nach vorhandener Technik kommen dann der Vergleich des Kantenkontrasts oder der Phasenvergleich zum Einsatz, teilweise in Kombination, teilweise auch im Zusammenspiel mit dem Laser-Fokus. Beim P9 wird diese Möglichkeit der Zusammenarbeit als Hybrid-Fokus bezeichnet - ähnliches findet man bei vielen Kameras. Beeinflussen kann man das beim neuen Smartphone übrigens nicht.

Wie die einzelnen Komponenten zusammenarbeiten, bleibt dem Nutzer oftmals verborgen

Wie die einzelnen Komponenten zusammenarbeiten, bleibt dem Nutzer oftmals verborgen

Das gilt auch für die Verteilung der Aufgaben. Nutzt man die normalen Modi, in diesem Fall definiert als alles außer Monochrom-Bilder, übernimmt der Monochrom-Sensor das Scharfstellen, wenn mehr als nur der Laser-Fokus benötigt wird. Damit verfügt das P9 über mehr „Fokus-Sensoren“ als die meisten anderen Smartphones, eine Ausnahme ist unter anderem das Galaxy S7. Das Ergebnis ist - in der Theorie - ein sehr schnelles und zuverlässiges Scharfstellen. In der Praxis hängt das Ergebnis von den äußeren Einflüssen ab, im Schnitt kann das Smartphone nicht mit Samsungs Flaggschiff mithalten. Das mag aber auch daran liegen, dass sich das P9 mitunter eine Gedenksekunde leistet, in der - darauf deutet der Test hin - die bestmögliche Fokussierungsart gewählt wird. Denn selbst mit vollständig verdecktem Laser-Fokus und Monochrom-Linse arbeitet das Gerät weiter, im Zweifelsfall kann selbst der Farbsensor das Scharfstellen übernehmen. Nach welchen Gesichtspunkten gewählt wird, ist aber nicht ersichtlich.

Keine Ausweichmöglichkeiten gibt es, wenn mit der Tiefenschärfe gespielt wird. Im Modus „Foto“ kann der Nutzer per Tap auf das Blendensymbol auf dem Display den Punkt auswählen, der scharfgestellt werden soll. Je nach dann eingestellter Blende - zwischen f0.95 und f16 kann frei gewählt werden - fällt der Rest des Bildes mehr oder weniger scharf aus. Der darauffolgende technische Ablauf dürfte in weiten Teilen mit dem des HTC One M8 übereinstimmen. Der Primärsensor erfasst die üblichen 2D-Daten, der zweite Sensor - in diesem Fall der für monochrom zuständige - die Tiefeninformationen. Alle Daten werden dann in einer Datei festgehalten, in der Galerie-App kann nach der Aufnahme dann der Fokuspunkt inklusive Blende beliebig verändert werden.

Was, wann, wie

Die Beschränkung dieser Spielerei auf den „Foto“-Modus ist aber nicht die einzige, die die Freude etwas trübt. Denn obwohl die Zahl der Möglichkeiten im Vergleich zu Mitbewerbern groß erscheint, sind viele Kombinationen nicht möglich. Beispiele gibt es neben der der oben genannten Tiefenschärfe einige. So kann der HDR-Modus nur dediziert für Fotos, nicht aber für Videos, als Automatik oder aber in Kombination mit der Tiefenschärfe gewählt werden. Ähnlich sieht es mit den Filtern aus. Im HDR-Modus können sie dazu geschaltet werden, nicht aber in allen Video-Modi oder im Pro-Modus. Wie wann welche Kombination möglich ist, lässt sich nur durch längeres ausprobieren herausfinden - eine offensichtliche Logik ist zunächst erkennbar.

Die untenstehende Tabelle stellt dabei sogar nur einen Auszug dar. Klar ist: Wer möglichst viel Einfluss haben will, sollte so oft wie möglich im „Foto“-Modus arbeiten und bei Bedarf die „Pro“-Einstellungen zusätzlich einblenden. Dies geschieht übrigens - wenn im jeweiligen Modus unterstützt - per einfachem Ziehen des dann eingeblendeten weißen Balkens. Alle anderen Modi sind mit teils deutlichen Einschränkungen versehen, dürften mit Ausnahme der Punkte „HDR“ und „Panorama“ aber nur selten zum Einsatz kommen.

Foto-Modi V-AF Filter TS Pro 
Foto ja ja ja  ja
Monochrom nein nein nein ja
Verschönern nein ja nein nein
Panorama nein nein nein nein
HDR ja ja nein nein
Lichtmalerei nein nein nein nein
         
Video-Modi VST V-AF Filter FPS
Video (1080p30) ja ja ja 30
Video (1080p60) nein nein nein 60
Video (720p) ja ja ja 30
Beauty-Video nein ja ja 30
Zeitraffer nein nein ja 30
Zeitlupe nein nein nein 120
 
VST: Videostabilisierung; V-AF: Verfolgungs-Autofokus
TS: Tiefenschärfe; Pro: Pro-Modus auswählbar

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Ähnlich sieht es bei den verschiedenen Video-Möglichkeiten aus. Bei voller Auflösung (1.920 x 1.080 Pixel) kann zwischen 30 und 60 Bildern pro Sekunde gewählt werden, was nicht nur Einfluss auf die Bildqualität, sondern auch die zuschaltbaren Funktionen hat. Sowohl die Objektverfolgung als auch der digitale Stabilisator und die Filter sind nur bei 30 fps auswählbar. Auffällig sind in Anbetracht der Systemleistung des Kirin 955 und der Bildsensoren die vergleichsweise niedrige maximale Auflösung und Bildfrequenz. Selbst bei Zeitlupenaufnahmen stehen nur 120 fps zur Verfügung, einige Konkurrenten bieten hier 240 fps.

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