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Samsung Galaxy S6 edge im Test

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Samsung startet den zweiten Versuch. Nach dem Versuchsträger Galaxy Note Edge will man das gebogene Display nun auch im Alltag etablieren. Als Mittel zum Zweck dient dabei das Galaxy S6 edge, mit dem man die S-Linie erstmals spaltet: Ein Standardmodell zum üblichen Preis und eine Edge-Version, die einen Luxuszuschlag verlangt. Doch sind 150 Euro mehr für ein bisschen Biegung gerechtfertigt?

Ohne Berechtigung ist diese Frage nicht. Denn im Dezember konnte das gebogene Display beim Galaxy Note Edge nicht in Gänze überzeugen. Zwar deuteten einige Anwendungen das Potential an, doch abseits von Maßband und einigen Bedienelementen wurde kaum etwas geboten. Im Rahmen der Präsentation des Galaxy S6 edge wurde jedoch Besserung versprochen, erste kurze Tests bestätigten Verbesserungen an einigen Stellen.

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Doch nicht nur das Display sorgt für Aufmerksamkeit. Denn das Smartphone wurde von Grund auf neu gestaltet und bestückt. Angefangen vom SoC über den internen Speicher bis hin zum Display: Samsung hat an allen Stellen Hand angelegt und damit früh für hitzige Diskussionen gesorgt. Denn man hat nicht nur das robuste Kunststoffgehäuse ersetzt, sondern auch Speichererweiterung und Wechselakku gestrichen.

Display

Doch der erste Blick gehört dem Display. Hier blieb man den bisherigen 5,1 Zoll in der Diagonale treu, bietet nun aber 2.560 x 1.440 statt wie zuletzt 1.920 x 1.080 Pixel. Das Ergebnis ist eine Steigerung der Pixeldichte um rund ein Drittel von 432 auf 577 ppi. Damit übertrifft man in diesem Punkt auch LGs G3, das bereits im vergangenen Jahr mit einer QHD-Anzeige aufwarten konnte, aufgrund der größeren Anzeige aber "nur" auf 538 ppi kommt. Für den Alltag spielt dies keine Rolle, denn einen Unterschied zwischen beiden Geräten kann man mit bloßem Auge nicht erkennen. Mit leichten Abstrichen gilt dies aber auch für den Sprung von Full HD auf QHD: Erst im direkten Vergleich erscheint die Anzeige des Galaxy S6 edge schärfer. Abseits von feinen Strukturen wie Text oder Videos in entsprechender Auflösung liefern derart viele Pixel bei diesen Diagonalen keinen spürbaren Mehrwert.

5,1 Zoll, 2.560 x 1.440 Pixel, Super AMOLED, beidseitig gebogen: Mehr gibt es derzeit nicht

5,1 Zoll, 2.560 x 1.440 Pixel, Super AMOLED, beidseitig gebogen: Mehr gibt es derzeit nicht

Da die grundsätzliche Qualität der Anzeige darunter jedoch nicht leidet, soll dies jedoch kein Manko sein. Denn sowohl in Sachen Helligkeit als auch beim Blick auf die Farbdarstellung überzeugt das Smartphone. Bei manueller Regulierung werden in der Spitze 335 cd/m² erreicht, im Automatikmodus konnten im Test 542 cd/m² erreicht werden. Auffällig dabei: Nicht nur die Helligkeit der Umgebung ist für die Automatik entscheidend, auch die Farbtemperatur - warmes oder klares Licht - scheint eine Rolle zu spielen. Warum dem Nutzer nicht die Möglichkeit gegeben wird, die Helligkeit manuell im vollen Umfang zu regeln, bleibt Samsungs Geheimnis.

Dafür kann dieser erneut die Farbdarstellung beeinflussen. Zur Wahl stehen dabei wieder vier Modi, die für unterschiedliche Zwecke wie die Darstellung von Bildern oder Videos optimiert sein sollen. Ab Werk nutzt das Galaxy S6 edge dabei die Standardeinstellung, bei der weiße Inhalte mit über 7.700 Kelvin dargestellt werden. Entsprechend ist von Neutralität kaum etwas zu erkennen, ein Blaustich ist unübersehbar. Deutlich besser schneidet das Display in dem AMOLED-Modi ab, mit gut 6.700 Kelvin wird Weiß beinahe vollständig weiß wiedergegeben werden.

Die wichtigste Funktion des Seitenbildschirms: VIP-Kontakte mit eigenen Farben

Die wichtigste Funktion des Seitenbildschirms: VIP-Kontakte mit eigenen Farben

Für die generell kräftige Darstellung von Farben ist ein Super-AMOLED-Panel zuständig. Samsungs Eigenentwicklung verzichtet dabei auf übertriebene Werte und sorgt für eine natürliche Anzeige. Gleichzeitig liefert die OLED-Technik auch hier wieder technikbedingt einen sehr guten Kontrast. Dieser erreicht laut Messgerät zwar nicht unendlich, wohl aber ein Verhältnis jenseits der Marke von 30.000:1.

Mit von der Partie ist erneut die berüchtigte Pentile-Matrix, die angesichts aktueller Pixeldichte aber viel von ihrem Schrecken verloren hat. Die von der üblicherweise RGB-Matrix abweichende Pixel-Anordnung ist mit dem Auge nicht erkennbar.

SoC

Für Gesprächsstoff sorgte im Vorfeld der offiziellen Vorstellung der SoC. Ging man zunächst davon aus, das Qualcomm als Lieferant zumindest für die europäische Variante des Galaxy S6 edge verantwortlich sein würde, tauchten dann Gerüchte auf, Samsung hätte sich anders entschieden. Die Rede war unter anderem von einer zu großen Hitzeentwicklung, die die Südkoreaner nicht in den Griff bekommen hätten. Ob dies am Ende tatsächlich der ausschlaggebende Grund gewesen ist, ist bis heute unklar. Fest steht nur, dass Qualcomm seinen Snapdragon 810 nicht verkaufen konnte und Samsung auf die Eigenentwicklung Exynos 7420 setzt.

Das Kuriose dabei: In den wesentlichen Punkten gleichen sich beide SoCs. Denn auch Samsung setzt auf ARMs Big.Little-Konzept sowie die 64-Bit-tauglichen CPU-Kerne Cortex-A53 und -A57. Von beiden Modellen werden hier wie da vier Exemplare verbaut, lediglich die Taktraten weichen leicht ab. Die für anspruchsvolle Aufgaben konzipierten Cortex-A57-Kerne schaffen in der Spitze 2,1 GHz, die kleineren Brüder maximal 1,5 GHz. Gravierender ist da schon der Unterschied hinsichtlich der Grafiklösung. Hier greift Samsung bei ARM zu und integriert eine achtkernige Mali-T760 mit einer Taktrate von 772 MHz, Qualcomm nutzt hingegen die zunächst langsamer wirkende Adreno 430 mit 600 MHz. Zudem könnte Samsung einen Vorteil in Hinblick auf den Energiebedarf haben. Denn während Qualcomm noch in 20 nm fertigt, kann man in Südkorea bereits in 14 nm produzieren.

Verborgen hinter der festen Rückseite bietet Samsungs Exynos 7420 viel Leistung

Verborgen hinter der festen Rückseite bietet Samsungs Exynos 7420 viel Leistung

Einigkeit herrscht dann jedoch wieder bei der mittlerweile so wichtigen Speicheranbindung, auf deren Konto auch bei modernen Smartphones ein nicht zu unterschätzender Teil der Leistungsfähigkeit geht. Genutzt wird jeweils RAM vom Typ LPDDR4; im Galaxy S6 edge stecken 3 GB diesen Typs.

Aufgrund der Parallelen zum Snapdragon 810 ist es wenig verwunderlich, dass sich auch die Leistung des Exynos 7420 auf einem ähnlichen Niveau befindet. Im 3DMark - Ice Storm Unlimited - reicht es mit rund 21.000 Punkten klar für die Spitze, ähnlich sieht es unter AnTuTu aus. Im 32-Bit-Modus weist der Benchmark über 48.000 Punkte aus, im 64-Bit-Modus sind es mehr als 55.000 Punkte. Deutlicher wird der Vorteil der leistungsfähigeren Architektur beim Blick auf die CPU-Leistung. Denn während es bei 32 Bit für Integer- und Floating-Point-Wertungen von etwa 5.300 und 5.100 Punkte reicht, sind es bei 64 Bit 9.300 und 5.600 Punkte; für einen Spitzenplatz reicht es in beiden Fällen nicht ganz. Ähnlich sieht es in Sachen Grafikleistung aus. Hier attestiert AnTuTu 1.600 Punkte für den 2D-Modus sowie 12.000 Punkte bei 3D-Berechnungen - man spielt in der Spitzengruppe mit, übernimmt aber nicht deren Führung.

PCMark für Android: Leichte Leistungsschwankungen sind erkennbar, eine Überhitzung des SoCs hingegen nicht

PCMark für Android: Leichte Leistungsschwankungen sind erkennbar, eine Überhitzung des SoCs hingegen nicht

Als wenig aussagekräftig entpuppen sich die beiden Browser-Tests SunSpider und Browsermark 2.0. Denn hier reicht es nur für Wertungen im Mittelfeld, in der Praxis offenbaren sich jedoch keinerlei Performance-Schwächen beim Surfen. Gleiches gilt für die Systemoberfläche, die Samsung nicht nur an der Oberfläche, dazu später mehr, sondern auch im Verborgenen deutlich überarbeitet hat. Das Ergebnis ist der ruckel- und aussetzerfreie Wechsel zwischen Homescreens und laufenden Programmen sowie kurze Ladezeiten.

Wie sich im Laufe des Tests jedoch herausstellte, hat das Galaxy S6 edge Probleme mit dem konstanten Erreichen einer hohen Leistung. So wurden beispielsweise bei fünf AnTuTu-Durchläufen völlig verschiedene Resultate präsentiert, die Bandbreite reichte dabei von rund 55.000 bis zu annähernd 70.000 Punkten. Ein Grund hierfür konnte nicht ermittelt werden, Überhitzung aufgrund zu dicht beieinander liegender Durchläufe kann jedoch ausgeschlossen werden; in den Diagrammen sind jeweils die Mindestwerte vermerkt.

Weitere Ausstattung

Die Benchmarks profitieren vor allem vom neuen internen Speicher. In der Regel setzen die Hersteller hier auf eMMC-Lösungen, die zwar einerseits günstig, andererseits aber in High-End-Geräten mitunter überfordert sind - Stichwort 4K. Mit UFS 2.0 (Universal Flash Storage) will Samsung nun die Brücke zwischen eMMC-Lösungen auf der einen und SSD-Lösungen auf der anderen Seite geschlagen habe. So sind die UFS-2.0-Chips günstiger als die in SSDs steckenden Module, gleichzeitig soll jedoch auch die Leistung der schnellen Massenspeicher punktuell erreicht werden. Samsung verspricht beispielsweise sequentielle Übertragungsraten auf dem Niveau von SSDs, dürfte sich dabei aber jedoch lediglich auf Speicher der Mittelklasse beziehen.

Erkennbar wird dies bei den Operationen pro Sekunde: Die Südkoreaner versprechen in der Spitze 19.000 IOPS, SSDs erreichen mühelos das Vier- oder Fünffache. Gegenüber den bisherigen Lösungen bedeutet die neue Technik aber dennoch einen großen Vorteil, auch, weil Samsung auf diesem Wege schon das Einstiegsmodell des Galaxy S6 edge mit 32 GB ausstatten kann; angeboten werden auch Versionen mit 64 und 128 GB. Ähnlich wie vom iPhone gewohnt müssen sich Interessenten aber schon vor dem Kauf sicher sein, wie viel Speicher sie im Laufe der Nutzungsdauer benötigen werden. Denn mit dem neuen Aushängeschild hat man sich vom microSD-Slot verabschiedet, der lange Zeit eines der wichtigsten Argumente für den Kauf eines Galaxy S war.

Der Pulsmesser sitzt wie gewohnt neben der Kamera und kann als Selfie-Auslöser genutzt werden

Der Pulsmesser sitzt wie gewohnt neben der Kamera und kann als Selfie-Auslöser genutzt werden

Festgehalten hat man aber an der umfangreichen und vor allem weiteren Ausstattung. Das LTE-Modem beherrscht Cat 6 und kann damit in entsprechend ausgebauten Netzen bis zu 300 Mbit pro Sekunde im Downstream übertragen, das WLAN-Modul unterstützt den schnellen ac-Standard samt MIMO-Technik und Dual-Band-Betrieb, für kürzere Entfernungen werden Bluetooth 4.1 sowie NFC und Infrarot geboten. Ebenfalls wieder mit dabei sind die mit dem Galaxy S5 eingeführten Sensoren für Puls und Fingerabdruck. Ersterer ist auf der Rückseite neben der Kamera untergebracht, letzterer wie gewohnt in der Home-Taste unterhalb des Displays. In einem wichtigen Punkt wurde der Sensor überarbeitet: Musste man bislang die Kuppe des hinterlegten Fingers über die Taste ziehen, reicht nun das simple Auflegen im Stile des iPhone 6. Hinsichtlich der Erkennungsrate fiel die Lösung im Test nicht negativ auf, wie auch bei der Konkurrenz kommt es bei nassen oder frisch eingecremten Fingern zu Problemen. Ein Manko: Das simple Auflegen des Fingers bei ausgeschaltetem Display reicht nicht aus, um das Gerät aus dem Standby zu erwecken - hier bleit das Huawei Ascend Mate 7 einsam an der Spitze.

Weitere Veränderungen betreffen den USB-Port sowie den SIM-Slot. Bei ersterem setzt man nun wieder auf USB 2.0, es bleibt bei Micro-USB, letzterer akzeptiert nun nur noch Nano-SIMs. Dass Samsung auf den neuen USB-Type-C-Anschluss und somit ein gewisses Alleinstellungsmerkmal verzichtet, dürfte den Entwicklungszyklen geschuldet sein.

Auch beim Galaxy S6 edge wieder mit von der Partie: Der Infrarotsender für den Einsatz des Smartphones als Fernbedienung

Auch beim Galaxy S6 edge wieder mit von der Partie: Der Infrarotsender für den Einsatz des Smartphones als Fernbedienung

Für den Nutzer unsichtbar und - weitaus wichtiger - in Europa derzeit ohne Funktion ist die für Samsung Pay notwendige Technik. Die MST genannte Lösung kann die auf dem Magnetstreifen von Kredit- und Giro-Karten hinterlegten per Impuls an Zahlungsterminals senden, anders als bei NFC-basierten Zahlungssystemen wie Apple Pay muss der Händler dementsprechend über keine spezielle Hardware verfügen; der Kurzstreckenfunk kann allerdings ebenfalls für Samsungs Dienst genutzt werden.

Im oftmals unterschätzten Einsatz als ordinäres Telefon hinterlässt das Galaxy S6 edge eine gute Figur. Das Gegenüber ist klar zu verstehen, der Nutzer selbst profitiert von der zuverlässigen Unterdrückung störender Nebengeräusche. Einzig beim Freisprechen wird der gute Eindruck etwas geschmälert. Der am unteren Rand untergebrachte Lautstärker beschränkt sich auf hohe und mittlere Frequenzen, was auch bei der Musikwiedergabe für wenig Freude sorgt - als Beschallungsinstrument ist HTCs One besser geeignet.

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